Aus der Rolle gefallen

Mit meinem Beruf, den ich mir als Frau aussuchte, gingen die Meinungen der Leute weit auseinander. Meine Jugend fing eigentlich ganz harmlos an. Ich machte eine normale Ausbildung als Friseurin. Ich kann mich noch gut an dieser Zeit erinnern, und sie machte mir auch wahnsinnig Spaß. Aber es nervte mich fürchterlich jeden Tag, in denselben Räumen zu stehen. Jeden Tag hatte ich dasselbe Klemmfix Plissee vor den Augen. Ich wollte raus, etwas anderes erleben. Es versteht sich von selbst, dass ich meine Lehre mit einem guten Abschluss beendet habe. Ich arbeitete noch zwei Jahre in dem Betrieb, in dem ich gelernt habe, jedoch dann zog es mich in die Große weite Welt hinaus. Schuld daran war mein Bruder. Er ist gelernter Kfz-Mechaniker, so wurde der Beruf damals noch genannt. Auch er entschied sich dafür seinen Traum zu verwirklichen, und der war die großen dicken Lkws zu fahren. Der damalige Chef von meinem Bruder brauchte zu der Zeit einen Aushilfsfahrer, wobei mein Bruder gleich an mich dachte. Er fragte mich, ob ich denn mal schnell nach England fahren könnte. Der Satzlaut war genau so, wie ich ihn gerade geschrieben hab - schnell mal dahin fahren. Da ich ein sehr spontaner Mensch war und immer noch bin, sagte ich zu. So fuhr ich im zarten Alter von 21 Jahren meine erste Tour nach England.

Das war der Beginn einer ganz großen Leidenschaft. Ich kündigte meinen Job als Friseurin, hängte die Aussicht auf die Faltrollo Plissees an den Nagel und machte mich auf, als Lkw-Fahrerin die Welt zu erkunden. Ich erinnere mich noch genau an die Worte meiner Familie. "Lange kannst du das aber nicht machen" oder "Das ist doch keine Arbeit für eine Frau, hast du da keine Angst alleine?" ich musste eine Weile ganz schön mit den Vorurteilen kämpfen. Heute, 15 Jahre später, hat es sich etwas gelegt, jedoch gehören ich in den Augen so mancher Menschen immer noch zu den Frauen, die aus der Rolle gefallen sind. Trotz alledem macht mir das Lkw-Fahren so viel Spaß wie am ersten Tag. Ich erlebte in den Jahren, so einiges womit sich wahrscheinlich ein ganzes Buch füllen lassen würde.